Die Venetischen Villen
Mit der Entdeckung Amerikas, den Geschehnissen nach dem Krieg der Liga von Cambrai und der Zerrüttung des wirtschaftlichen und militärischen Systems infolge der ständigen Konflikte mit den Türken um die Vorherrschaft im Mittelmeer begriffen die pfiffigen venezianischen Geschäftsleute bald, dass sie sich bei ihrem wirtschaftlichen Erfolg nicht mehr allein auf den Seehandel verlassen konnten, und begannen sich für ihre Besitzungen auf dem Festland zu interessieren, die bis dahin nur als befestigte Vorposten, als Bezugsquelle von Rohstoffen (Metalle, Holz, Wein … ) und allenfalls als Standort für Jagdhütten betrachtet worden waren.
Gegen Mitte des 16. Jahrhunderts hatte sich die Situation bereits grundlegend geändert: Man gründete die Magistratura dei Beni Inculti (Magistratur für brachliegende Güter), die das Gebiet als vorbereitende Maßnahme für öffentliche Arbeiten wie Abholzung, Urbarmachung und Bewässerung der Ländereien, die fruchtbar und produktiv geworden waren und in denen immer mehr Villen entstanden, kartieren ließ. Dieser Baustil fand großen Anklang, weil er sowohl den praktischen als auch ästhetischen Bedürfnissen gerecht wurde: Die Villen als Stützpunkte zur Überwachung der landwirtschaftlichen Produktion und des erzeugten Weins waren auch das Symbol des wirtschaftlichen und sozialen Status der Besitzer, die sich dort während der Aussaat und der Erntezeit lange aufhielten.
Auf diese Weise begann die so genannte venezianische Villenkultur, die mit Andrea Palladio (1508 – 1580) ihren Höhepunkt erreichte, aber das Ende der Republik Venedig überdauerte und auch noch danach gepflegt wurde.
In der Hügellandschaft um Conegliano, die schon immer als Weingebiet genutzt wurde, befinden sich Dutzende von Villen, einige das Werk bedeutender Architekten wie Baldassare Longhena (17. Jahrhundert) und Giuseppe Jappelli (19. Jahrhundert), der die Villa Gera Sinopoli in Schlossnähe entworfen hat, die seit kurzem für Besucher geöffnet ist.
In der Provinz Treviso können folgende Villen besichtigt werden:
VILLA PAPADOPOLI GIOL IN SAN POLO DI PIAVE
VILLA BARBARO IN MASER
Etwa acht Kilometer von Asolo entfernt, befindet sich in Maser die berühmte Villa Barbaro, die um 1560 von Andrea Palladio erbaut, von Paolo Veronese mit herrlichen Fresken geschmückt und von Alessandro Vittoria mit Plastiken dekoriert wurde. Der Bau im Auftrag der beiden Brüder Daniele und Marcantonio Barbaro aus Venedig an einem der schönsten Orte im Gebiet von Treviso besteht aus einem zentralen Wohnbereich, an den sich seitlich die Wirtschaftsgebäude und an den Enden zwei Taubenschläge anschließen.
Die von Skulpturen gesäumte Allee schafft eine ideale Verbindung zwischen der Villa und dem umliegenden Gelände, zwischen der Fassade mit ihren ionischen Halbsäulen, dem mit Stuck verzierten Giebel und dem Neptunbrunnen auf der anderen Straßenseite. Ein weiteres echtes Juwel von Palladio ist der Tempietto, der die Kulisse der von Kutschen befahrbaren Straße bildet. Der Tempel entstand 1580, im Todesjahr seines Schöpfers Palladios, zeigt die von ihm für Sakralbauten als ideal erachtete Rundform und sollte als Adelskapelle und gleichzeitig der Dorfbevölkerung als Kirche dienen.
VILLA REVEDIN BOLASCO
In Borgo Treviso, Castelfranco Veneto, steht jenseits der Brücke Ponte delle Guglie, die über den Musonello führt, die Villa Revedin Bolasco. Dort befanden sich früher die beiden Villen Corner, die als „del Paradiso“ bekannt waren und 1607 von Vincenzo Scamozzi (1548-1616) aus Vicenza renoviert wurden. Villa Bolasco wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Architekten Giovan Battista Meduna im Neorenaissance-Stil erbaut. Der Innenbereich, der normalerweise nicht besichtigt werden kann, zeigt eine schöne halbrunde Freitreppe, einen großen Saal und eindrucksvolle Reitställe mit Originaleinrichtung. Das Gebäude ist von einem wunderschönen Park umgeben, der von Meduna entworfen, aber in den folgenden Jahrzehnten von dem Franzosen Marc Guignon und Antonio Caregaro Negrin umgestaltet wurde. Er ist mit einem kleinen See, einem maurischen Gewächshaus und Amphitheater – eigentlich eine Reitbahn – und 52 Statuen ausgestattet, die von dem Bildhauer Marinali für die bereits bestehende Villa geschaffen wurden.
Der Park, der sich seit 1967 im Besitz der Universität Padua befindet, gewann 2018 den ersten Platz beim 16. Wettbewerb für öffentliche italienische Parks. Er kann an Wochenenden und Feiertagen besichtigt werden.
VILLA CORNER CHIMINELLI
Nicht weit von Castelfranco Veneto befindet sich im Ortsteil Sant’Andrea oltre il Muson dieser charmante Landsitz, der nach 1564 auf einem Vorgängerbau aus dem Jahr 1477 errichtet wurde. Lange Zeit hielt man ihn für einen Besitz der Familie Corner, aber bei neueren Untersuchungen stellte sich heraus, dass er ursprünglich dem venezianischen Adligen Francesco Soranzo gehört hatte, der von 1563 bis 1595 Pfarrer von Sant’Andrea war. Nach mehrmaligem Besitzerwechsel erwarb die Familie Chiminelli Ende des Zweiten Weltkriegs die Villa, ließ sie restaurieren und in den ländlichen Nebengebäuden ein interessantes ethnografisches Museum einrichten.
Das Gebäude ist unterkellert und verfügt über ein einziges erhöhtes Hauptgeschoss. Bemerkenswert sind die Fresken von Benedetto Caliari, dem Bruder von Paolo Veronese, sowie die Skulpturen aus dem 18. Jahrhundert, die an den Stil von Bonazza erinnern.
VILLA EMO IN FANZOLO
Die Villa Emo ist etwa zehn Kilometer von Castelfranco Veneto entfernt und eines der großen Meisterwerke der Villenarchitektur von Andrea Palladio. Sie wurde 1560 erbaut und gehört zu den wenigen vollendeten Gebäuden des berühmten Architekten. Sie drückt perfekt das Bedürfnis nach einem repräsentativen und landwirtschaftlich zweckmäßigen Besitz aus, das dem Konzept der Venetischen Villen des 16. Jahrhunderts zugrunde liegt. Von großer Bedeutung ist auch die Freskendekoration von Giovan Battista Zelotti, der oft mit Paolo Veronese zusammenarbeitete.
Die Villa liegt mitten im Grünen und ist von einem herrlichen Garten im italienischen Stil umgeben.
CASTELLO GIUSTINIAN CIANI BASETTI A RONCADE
VILLA LATTES IN ISTRANA
Die Villa wurde 1715 von dem jungen Architekten Giorgio Massari (* Venedig, 1687 – † 1766) für den venezianischen Kaufmann Paolo Tamagnino erbaut und verdankt ihren Namen der Familie Lattes, die sie 1842 kaufte. Ihr letzter Besitzer, der Rechtsanwalt Bruno Lattes, restaurierte das Gebäude sorgfältig und sammelte dort Automaten und Spieluhren, die er auf seinen zahlreichen Reisen erworben hatte, und schuf so eine der bedeutendsten Sammlungen Europas. Nach seinem Tod wurden das Gebäude und die Sammlung der Gemeinde Treviso vermacht, aber seit 2004 gehören sie der Gemeinde Istrana, die das Gebäude renoviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.
Der Gebäudekomplex, der an die Tradition von Palladio erinnert, umfasst einen zentralen, erhöhten Baukörper, der von zwei Wirtschaftsgebäuden mit geschwungenen Kolonnaden, die den ovalen Garten vor dem Bauwerk umgeben. An der Einfriedung befindet sich die Adelskapelle, die sowohl von der Villa als auch von der Straße aus zugänglich war, damit sie von den Dorfbewohnern genutzt werden konnte, wie es damals Sitte war, mit einem Altarbild von Jacopo Amigoni.
Nützliche Informationen